Was ist für dich Britisches Grafikdesign?
OLIVER MALTBY: Das ist sehr schwierig. Ich denke Britisches Design ist mehr [als die im Reader gezeigten Arbeiten]. Es ist ziemlich unkonventionell.
Also denkst du, es ist nicht offensichtlich?
OM: Manchmal schon. Es ist wirklich schwer zu sagen. Es gibt die typografische Seite mit Frost, Alan Kitching, Johnson Banks usw. und die frühen Arbeiten von Pentagram. Aber Pentagram gestaltet jetzt anders. Es ist sehr klassisch und sehr konzeptionell in unterschiedlichen Arbeiten. Deswegen haben sie auch angefangen.
Für Britisches Design ist es wirklich schwer festzulegen. Was amerikanisches Design betrifft, so finde ich, dass es sich nicht wirklich geändert hat in den letzten zehn Jahren. Es scheint sehr typografisch zu sein, aber fast immer so, als stamme es aus einem vergangenen Jahrzehnt.
Wohingegen, wenn man nach Skandinavien schaut, es allgemein sehr typografisch ist. Es geht nicht so sehr um die Idee, sondern um schöne Layouts, sehr saubere Raster. Das ist der Hauptunterschied: Ich denke, England kümmert sich mehr um die Ideen – etwas skurriler im Ganzen verglichen mit anderen Nationen. Es gibt hier genauso Typografen wie an anderen Orten, aber es scheint, als seien hier die abstrakten Gedanken.
Genau das ist es, was wir gedacht haben: Die Form ergibt sich aus dem Inhalt; das Bild und der Text transportieren die Botschaft. Das ist was wir [in der Vorab-Version unseres Buches] konzeptionelles Design nennen.
OM: Ja, genau. In unserem Büro ist es so: Es geht nicht nur um Stil, sondern um die Botschaft reduziert auf ein sehr einfaches Mittel der Kommunikation. Dann kommt die Gestaltung, die Form, vorher kommt alles andere.
Wenn du dich umschaust, stellst du fest, dass die Machart so unterschiedlich ist. Doch die Sache ist, dass alles auf einer einfachen Idee basiert; es gleicht sich nie.
Er zeigt mir einige Arbeiten der Agentur, die in einem Regal neben uns liegen und wir sprechen über einzelne.
OM: Englisches Design ist viel unberechenbarer als das Meiste auf der Welt. Es gibt so viele unterschiedliche Einflüsse. Es ist die Geografie Englands: Wir sind eine Nation aus Immigranten, jeder kommt von irgendwo her. Es ist ein solcher Mix, der sich dann in Mode, Design, auch Moderner Kunst niederschlägt. Italien und New York sind führend in Sachen Mode, aber wenn es zu eigenwilligem Design kommt, schauen alle nach London.
Das Design war in den Sechzigern an einem sehr schwachen Punkt. Es gab wenige ausgezeichnete Designer, die versucht haben, das Design voranzutreiben und meinten, dass man in die Schweiz und die USA schauen sollte. Meinst du, dass Britisches Design nun ein Mix von Amerikanischem und Schweizer Design ist oder ist es für dich eine komplett andere visuelle Sprache?
OM: Es ist anders. Ich weiß nicht, ob es nur eine englische Sichtweise ist, aber ich denke, dass die „Godfathers“ von modernem Grafikdesign in Pentagram zu finden sind, das von zwei englischen Designern gegründet wurde.
Ja, Alan Fletcher, Bob Gill und Forbes. Einer war Amerikaner.
OM: Bob Gill. Die waren die Begründer des modernen Grafikdesign. Was das meiste Grafikdesign betrifft, auch die typografischen Stile des Skandinavischen Designs, so schaut jeder zu Pentagram als einen Bezugspunkt in der Geschichte.
Immer noch?
OM: Ja, absolut. Vielleicht mehr auf die älteren Dinge. Sie sind immer noch sehr hoch angesehen. Über die Jahre gesehen – es hört sich jetzt hart an – haben die Amerikaner nicht viel zu bieten, denke ich. Ich würde auch nicht sagen, es ist ein Mix aus Amerikanischem und Skandinavischem Design, ich meine, die Amerikaner haben nicht viel geliefert, England lieferte das Meiste, aber die Skandinavier sind großartig was Typografie angeht.
Ich habe auch einige Typedesigner von dort entdeckt. Wie dem auch sei.
Wir hatten also drei Kategorien aufgestellt beginnend mit handgemachter Typografie wie Buchdruck (Letterpress). Es wird tatsächlich noch Buchdruck an den Universitäten gelehrt, wie ich selbst erfahren habe.
OM: Ja, so ist es.
Das ist so britisch. Wir [in Deutschland] haben das nicht mehr.
OM: Ja, dass ist schon ein seltsames Phänomen. Es wird aussterben. Man musste es eben in früheren Industriezweigen können. Ich denke nicht, dass es so wichtig ist. Es kommt darauf an, wo du hingehst und woher du kommst. Wir sind sehr konzeptionell. Es geht immer um die Idee. Über die Technik sollte man natürlich auch Bescheid wissen. Aber in Zukunft wird dieses Gebiet nicht so wichtig sein.
Wir schauen uns Arbeiten im Buch an – insbesondere das, was wir vorher als illustrativ beschrieben haben (The Designers Republic, Neville Brody usw.).
OM: Um das an dieser Stelle mal zu sagen, ich habe mich wegen der Arbeit von David Carson angefangen für Grafikdesign zu interessieren. Das [hier gezeigte] ist weniger als die Hälfte davon.
Das ist eher spielerisch.
OM: Es ist komisch, aber ich würde nicht sagen, dass es [Britisches Design] typografisch ist. Ich meine, du hast viele Beispiele hier, aber ich würde sagen, Britisches Design ist ein wirklicher Mix.
Kennst du das Buch „a smile in the mind“?
Nein.
OM: Ich zeig’s dir.
Er holt das Buch.
OM: Ich denke, das zeigt, dass es um verschiedene Ideen geht und das muss nicht unbedingt typografisch sein. Es ist sehr beliebt bei englischen Designern Comedy bzw. Humor in Design einzusetzen.
Das sollte unser drittes und letztes Kapitel werden. Einige Dinge fehlen dabei noch.
Wir schauen uns das Buch genauer an.
OM: Es gibt einige sehr gute Beispiele für Britisches Design in dem Buch.
Etwas anderes: Eine Frage ergab sich für mich aus den neusten wirtschaftlichen Entwicklungen. Was die Finanzkrise betrifft, siehst du da im Moment persönlich ein Problem?
OM: Jeder ist beunruhigt, was Löhne und Arbeitsplatzsicherheit betrifft. Alle sind nervös, bewusster und vorsichtiger bezüglich Ausgaben. Was unsere Arbeit betrifft, so lässt sich vielleicht feststellen, dass es schwer ist, kleinere Projekte an Land zu ziehen, große Projekte gibt es. Wir sind bisher aber nicht betroffen.
Nun habe ich mich gerade selbständig gemacht und Leute wundern sich, ob der Augenblick nicht eher ungeeignet ist.
OM: Ich bekomme viel mehr Anrufe. Firmen sind viel vorsichtiger mit Ausgaben. Es wird nun eher länger gearbeitet, da man nicht weiß, was kommt.
Aber es beeinflusst nicht die visuelle Sprache, ich meine, dass Kunden es anders haben wollen als gewohnt?
OM: Nicht wirklich. Es bleibt wie gehabt, wir wollen immer noch kommunizieren.
Denkst du, dass die visuelle Sprache vom kulturellen Hintergrund geprägt ist? Ich denke da insbesondere an das Handwerk?
OM: Es bleibt bis zu einem gewissen Grad wie es ist. Es kommt darauf an, wie du geschult bist und wie unabhängig eine Firma denkt, eine klare Vision zu haben und was man erreichen will.
Eine andere Frage: Hast du vom Manifest gehört?
OM: Ach Ken Garland. Es wurde von einigen Designern erneuert vor einigen Jahren, richtig?
Ja. Denkst du, dass es einen Einfluss hatte oder blieb es nur Theorie?
OM: Das ist sehr schwierig. Soweit ich mich erinnere ging es darum, nicht an bestimmten Dingen zu arbeiten, mit denen man nicht einverstanden ist. Das ist wie ein ethischer Status. Allgemein ist der Grafikdesigner in der Praxis kommerziell. Es kann man damit vergleichen, ob man sich leisten kann Bio-Lebensmittel zu essen oder ob man es nicht kann. Es kommt auf die Umstände an, vieles hängt an den Kosten. Ich denke, dass Gleiche gilt dafür. Es ist eine großartige Idee, aber ich kenne einige Firmen, die bei Zigarettenwerbung bleiben würden. Auf der anderen Seite machen sie dann Arbeit für eine Wohlfahrtsorganisation. Es gibt auch Firmen, die man oberflächlich betrachtet als ethisch verwerflich einstufen würde, doch wenn man näher hinschaut lässt sich feststellen, dass sie mit äußerst positiven Mitteln arbeiten. Ich kenne dazu ein Beispiel aus dem Bereich Bergbau.
Alle Firmen sollten wissen, was sie machen oder auf was sie verzichten. Ich mag die Idee, aber ich denke als ein praktizierender Designer gibt es einige Probleme. Als Designer muss man allgemein die Vorteile in jeder Art von Arbeit sehen.
Weitere Interview-Partner der Reihe: Harry Pearce, Angus Hyland, Thomas Manss